Rechtsvorschriften
- Belgische Verfassung
- Gesetz vom 2. Mai 2019 über Petitionen an die Abgeordnetenkammer
- Gesetz vom 16. November 2022 zur Abänderung des Gesetzes vom 2. Mai 2019 über Petitionen an die Abgeordnetenkammer, um die Unterstützung von Petitionen für die im Ausland ansässigen Belgier zu ermöglichen
- Gesetz vom 29. November 2022 zur Abänderung des Gesetzes vom 2. Mai 2019 über Petitionen an die Abgeordnetenkammer zur Einführung eines Standardformulars für die Petition zur Anhörung
- Législation pétitions consolidée
- Gesetz vom 22. März 1995 zur Einführung föderaler Ombudsmänner
- Geschäftsordung der Abgeordnetenkammer
Gesetz vom 22. März 1995 zur Einführung föderaler Ombudsmänner
KAPITEL I - Föderale Ombudsmänner
Art. 1 - Es gibt zwei föderale Ombudsmänner, einen französischsprachigen und einen niederländischsprachigen, die als Aufgabe haben:
1.Beschwerden über die Arbeitsweise der föderalen Verwaltungsbehörden zu untersuchen,
2.auf Ersuchen der Abgeordnetenkammer Nachforschungen in Bezug auf die Arbeitsweise der von ihr bestimmten föderalen Verwaltungsdienste durchzuführen,
3.auf der Grundlage der bei der Ausführung der in den Nummern 1 und 2 erwähnten Aufgaben gemachten Feststellungen gemäß den Artikeln 14 Absatz 3 und 15 Absatz 1 Empfehlungen zu formulieren und Bericht zu erstatten über die Arbeitsweise der Verwaltungsbehörden,
4.Meldungen von mutmaßlichen Integritätsbeeinträchtigungen zu untersuchen gemäß dem Gesetz vom 15. September 2013 über die Meldung einer mutmaßlichen Integritätsbeeinträchtigung in einer föderalen Verwaltungsbehörde durch eines ihrer Personalmitglieder.
Die Ombudsmänner führen ihre Aufgaben in Bezug auf die in Artikel 14 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat erwähnten föderalen Verwaltungsbehörden aus, mit Ausnahme der Verwaltungsbehörden, die aufgrund einer besonderen Gesetzesbestimmung einen eigenen Ombudsmann haben.
Wird das Amt eines Ombudsmanns von einer Frau ausgeübt, wird diese Ombudsfrau genannt.
Die Ombudsmänner handeln als Kollegium.
Art. 2 - Die Ombudsmänner und das ihnen beistehende Personal unterliegen den Bestimmungen der am 18. Juli 1966 koordinierten Gesetze über den Sprachengebrauch in Verwaltungsangelegenheiten. Sie werden wie Dienste angesehen, deren Tätigkeit sich über das ganze Land erstreckt.
Art. 3 - Die Ombudsmänner werden nach einem Bewerberaufruf von der Abgeordnetenkammer für ein Mandat von sechs Jahren ernannt. Bei Ablauf jedes Mandats wird ein Bewerberaufruf durchgeführt, um das Kollegium der föderalen Ombudsmänner zu erneuern. Das Mandat als Ombudsmann darf für denselben Kandidaten nur einmal erneuert werden. Wird das Mandat nicht erneuert, übt der Ombudsmann sein Amt weiter aus, bis ein Nachfolger ernannt worden ist.
Um zum Ombudsmann ernannt zu werden, muss man:
1.Belgier sein,
2.von tadelloser Führung und im Besitz der zivilen und politischen Rechte sein,
3.Inhaber eines Diploms sein, das in den Staatsverwaltungen Zugang zu einem Amt der Stufe 1 verleiht,
4.gemäß den von der Abgeordnetenkammer festgelegten näheren Regeln den Nachweis über ausreichende Kenntnisse der anderen Landessprachen erbringen,
5.über eine nützliche Berufserfahrung von mindestens fünf Jahren entweder im juristischen, administrativen oder sozialen Bereich oder in einem anderen für die Ausübung des Amtes nützlichen Bereich verfügen.
Ein und dieselbe Person darf nicht mehr als zwei Mandatsperioden als Ombudsmann absolvieren, ob es sich um aufeinander folgende Mandatsperioden handelt oder nicht.
Art. 4 - Vor Amtsantritt leisten die Ombudsmänner vor dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer folgenden Eid: "Ich schwöre Treue dem König, Gehorsam der Verfassung und den Gesetzen des belgischen Volkes."
Art. 5 - In der Zeit ihres Mandats dürfen die Ombudsmänner keine der folgenden Funktionen und keines der folgenden Ämter und Mandate ausüben:
1.das Amt eines Magistrats, Notars oder Gerichtsvollziehers,
2.den Beruf eines Rechtsanwalts,
3.die Funktion eines Dieners eines anerkannten Kultes oder eine Stelle als Vertreter einer durch Gesetz anerkannten Organisation, die moralischen Beistand aufgrund einer nichtkonfessionellen Weltanschauung bietet,
4.ein durch Wahl vergebenes öffentliches Mandat,
5.eine bezahlte Stelle bei den in Artikel 1 Absatz 2 erwähnten öffentlichen Diensten.
Die Ombudsmänner dürfen weder ein öffentliches Amt noch eine andere Funktion ausüben, das beziehungsweise die die Würde oder die Ausübung ihres Amtes gefährden könnte.
Für die Anwendung des vorliegenden Artikels werden einem durch Wahl vergebenen öffentlichen Mandat gleichgesetzt: das Amt eines außerhalb des Gemeinderates ernannten Bürgermeisters, das Mandat eines Verwalters in einer Einrichtung öffentlichen Interesses und das Amt eines Regierungskommissars, das Amt des Gouverneurs, beigeordneten Gouverneurs oder Vizegouverneurs einbegriffen.
Der Inhaber eines durch Wahl vergebenen öffentlichen Mandats, der seine Ernennung zum Ombudsmann annimmt, wird von Rechts wegen seines durch Wahl erhaltenen Mandats enthoben.
Die Artikel 1, 6, 7, 10, 11 und 12 des Gesetzes vom 18. September 1986 zur Einführung des politischen Urlaubs für die Personalmitglieder der öffentlichen Dienste sind gegebenenfalls und mit den notwendigen Anpassungen auf die Ombudsmänner anwendbar.
Art. 6 - Die Abgeordnetenkammer kann dem Amt der Ombudsmänner ein Ende setzen:
1.auf ihr Ersuchen,
2.wenn sie das Alter von 65 Jahren erreichen,
3.wenn ihr Gesundheitszustand die Ausübung des Amtes ernstlich gefährdet.
Die Abgeordnetenkammer kann die Ombudsmänner abberufen:
1.wenn sie eine der Funktionen oder eines der Ämter oder Mandate, die in Artikel 5 Absatz 1 und 3 erwähnt sind, ausüben,
2.aus schwerwiegenden Gründen.
Art. 7 - Innerhalb der Grenzen ihrer Zuständigkeit erhalten die Ombudsmänner von keiner Behörde Anweisungen.
Sie können ihres Amtes nicht enthoben werden für Handlungen, die sie im Rahmen der Ausübung ihres Amtes vornehmen.
KAPITEL II - Beschwerden
Art. 8 - Jeder Interessehabende kann bei den Ombudsmännern schriftlich oder mündlich eine Beschwerde in Bezug auf das Handeln oder die Arbeitsweise der Verwaltungsbehörden einreichen.
Der Interessehabende muss diese Behörden vorher kontaktieren, um Genugtuung zu erhalten.
Art. 9 - Die Ombudsmänner können sich weigern, eine Beschwerde zu bearbeiten, wenn:
1.die Identität des Beschwerdeführers nicht bekannt ist,
2.die Beschwerde sich auf Fakten bezieht, die sich mehr als ein Jahr vor Einreichung der Beschwerde ereignet haben.
Die Ombudsmänner weigern sich, eine Beschwerde zu bearbeiten, wenn:
1.die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist,
2.der Beschwerdeführer offensichtlich keine Schritte bei der betreffenden Verwaltungsbehörde unternommen hat, um Genugtuung zu erhalten,
3.die Beschwerde im Wesentlichen mit einer von den Ombudsmännern bereits zurückgewiesenen Beschwerde identisch ist und keine neuen Fakten umfasst.
Wenn die Beschwerde sich auf eine föderale, regionale, gemeinschaftliche oder andere Verwaltungsbehörde bezieht, die aufgrund einer gesetzlichen Regelung einen eigenen Ombudsmann hat, leiten die Ombudsmänner diese Beschwerde unverzüglich an diesen weiter.
Art. 10 - Die Ombudsmänner informieren den Beschwerdeführer unverzüglich über ihren Beschluss, die Beschwerde zu bearbeiten oder nicht oder sie an einen anderen Ombudsmann weiterzuleiten. Die Weigerung, eine Beschwerde zu bearbeiten, muss mit Gründen versehen sein.
Die Ombudsmänner informieren die Verwaltungsbehörde über die Beschwerde, die sie zu untersuchen beabsichtigen.
Art. 11 - Die Ombudsmänner können den Beamten oder Diensten, an die sie im Rahmen ihres Auftrags Fragen richten, eine zwingende Frist für die Beantwortung dieser Fragen auferlegen.
Sie dürfen ebenfalls vor Ort alle Feststellungen machen, sich alle Unterlagen und Auskünfte, die sie für notwendig halten, mitteilen lassen und alle betroffenen Personen anhören.
Personen, die aufgrund ihres Standes oder von Berufs wegen Geheimnisse kennen, die ihnen anvertraut worden sind, werden von ihrer Pflicht, das Geheimnis zu wahren, im Rahmen der von den Ombudsmännern durchgeführten Untersuchung entbunden.
Die Ombudsmänner können die Unterstützung von Sachverständigen in Anspruch nehmen.
Art. 12 - Wenn die Ombudsmänner in der Ausübung ihres Amtes Fakten feststellen, die ein Verbrechen oder ein Vergehen darstellen, informieren sie gemäß Artikel 29 des Strafprozessgesetzbuches den Prokurator des Königs darüber.
Wenn sie in der Ausübung ihres Amtes Fakten feststellen, die disziplinarrechtliche Verstöße sind, verständigen sie die zuständige Verwaltungsbehörde davon.
Art. 13 - § 1 - Die Untersuchung einer Beschwerde wird ausgesetzt, wenn die Fakten Gegenstand einer gerichtlichen Beschwerde oder einer organisierten administrativen Beschwerde sind. Die Verwaltungsbehörde informiert die Ombudsmänner über die Einreichung der Beschwerde.
In diesem Fall informieren die Ombudsmänner den Beschwerdeführer sofort über die Aussetzung der Untersuchung seiner Beschwerde.
Durch die Einreichung und die Untersuchung einer Beschwerde werden die Fristen für die Einreichung von gerichtlichen Beschwerden oder organisierten administrativen Beschwerden weder ausgesetzt noch unterbrochen.
§ 2 - In Abweichung von § 1 und unbeschadet des Artikels 19 Absatz 3 der am 12. Januar 1973 koordinierten Gesetze über den Staatsrat können föderale Ombudsmänner die Untersuchung einer Beschwerde fortsetzen, wenn die Handlung oder die Fakten Gegenstand einer Nichtigkeitsklage beim Staatsrat sind. Die Behörde informiert die Ombudsmänner über die Einreichung der Beschwerde.
Art. 14 - Der Beschwerdeführer wird regelmäßig über die infolge seiner Beschwerde unternommenen Schritte informiert.
Die Ombudsmänner versuchen, die Standpunkte des Beschwerdeführers mit denen der betroffenen Dienste in Einklang zu bringen.
Sie können jede ihnen zweckdienlich scheinende Empfehlung an die Verwaltungsbehörde richten. In diesem Fall informieren sie den zuständigen Minister darüber.
KAPITEL III - Berichte der Ombudsmänner
Art. 15 - Die Ombudsmänner richten jährlich spätestens am 31. März einen Bericht in Bezug auf ihre Tätigkeiten an die Abgeordnetenkammer. Außerdem können sie, wenn sie es für zweckdienlich halten, jedes Quartal Zwischenberichte vorlegen. Diese Berichte umfassen die den Ombudsmännern zweckdienlich scheinenden Empfehlungen und weisen auf eventuelle bei der Ausübung ihres Amtes auftretende Schwierigkeiten hin.
Diese Berichte umfassen ebenfalls die Empfehlungen, die die föderalen Ombudsmänner in Bezug auf die Ausführung des Gesetzes vom 15. September 2013 über die Meldung einer mutmaßlichen Integritätsbeeinträchtigung in einer föderalen Verwaltungsbehörde durch eines ihrer Personalmitglieder formulieren und die dazu dienen, das System für die Meldung einer mutmaßlichen Integritätsbeeinträchtigung anzupassen und zu verbessern.
Die Identität der Beschwerdeführer und der Personalmitglieder der Verwaltungsbehörden darf in diesen Berichten nicht angegeben werden.
Die Berichte werden von der Abgeordnetenkammer bekannt gemacht.
Die Ombudsmänner können jederzeit entweder auf ihren Antrag hin oder auf Ersuchen der Kammer von der Kammer angehört werden.
KAPITEL IV - Sonstige Bestimmungen
Art. 16 - Artikel 458 des Strafgesetzbuches ist auf die Ombudsmänner und ihr Personal anwendbar.
Art. 17 - Die Ombudsmänner legen eine Geschäftsordnung fest.
Diese Geschäftsordnung wird von der Abgeordnetenkammer gebilligt.
Die Abgeordnetenkammer kann, nachdem sie die Stellungnahme der Ombudsmänner eingeholt hat, die Geschäftsordnung abändern. Wird eine Stellungnahme bis sechzig Tage nach ihrer Beantragung nicht abgegeben, ist davon auszugehen, dass sie günstig ist.
Art. 18 - Unbeschadet der Befugnis der Abgeordnetenkammer, mit Unterstützung des Rechnungshofes die ausführlichen Haushaltsvorschläge der föderalen Ombudsmänner zu prüfen, ihren Haushaltsplan zu billigen und dessen Durchführung zu kontrollieren sowie die ausführlichen Kontenabschlüsse zu prüfen und zu billigen, werden die in diesen Haushaltsplänen vorgesehenen Mittel als Dotation in den allgemeinen Ausgabenhaushaltsplan des Staates eingetragen.
Für ihre Haushaltspläne und Kontenabschlüsse verwenden die föderalen Ombudsmänner ein Haushalts- und Kontenschema, das mit dem vergleichbar ist, das von der Abgeordnetenkammer verwendet wird.
Der Dienst der Ombudsmänner genießt für seine Korrespondenz Postgebührenfreiheit.
Art. 19 - Unbeschadet der Aufgaben, die die Ombudsmänner sich gegenseitig durch kollegialen Beschluss zuweisen, ernennen, entlassen und leiten sie die Personalmitglieder, die ihnen bei der Ausübung ihres Amtes beistehen.
Das Personalstatut und der Stellenplan werden auf Vorschlag der Ombudsmänner von der Abgeordnetenkammer festgelegt.
Die Abgeordnetenkammer kann dieses Personalstatut und diesen Stellenplan, nachdem sie die Stellungnahme der föderalen Ombudsmänner eingeholt hat, abändern. Von der Stellungnahme ist anzunehmen, dass sie günstigist,wenn sie bis sechzig Tage nach ihrer Beantragung nicht erfolgt ist.
Art. 20 - Die Ombudsmänner haben das gleiche Statut wie die Gerichtsräte am Rechnungshof. Die Regeln in Bezug auf das Besoldungsstatut der Gerichtsräte am Rechnungshof, die enthalten sind im Gesetz vom 21. März 1964 über die Gehälter der Mitglieder des Rechnungshofs, so wie es durch die Gesetze vom 14. März 1975 und 5. August 1992 abgeändert worden ist, sind auf die Ombudsmänner anwendbar.
Die Ruhestandspension der Ombudsmänner wird auf der Grundlage des Durchschnittsgehalts der letzten fünf Jahre berechnet, das gemäß der Regelung in Sachen Ruhestandspension zu Lasten des Staates festgelegt wird, und im Verhältnis von einem Dreißigstel pro Dienstjahr als Ombudsmann ausgezahlt, sofern sie ihr Amt in dieser Eigenschaft während zwölf Jahren ausgeübt haben.
Dienste eines Ombudsmannes, die nicht unter die im vorhergehenden Absatz erwähnte Regelung fallen und für die Berechnung einer Ruhestandspension zu Lasten des Staates in Betracht kommen, werden gemäß den Gesetzen zur Festlegung der Ruhestandspensionen in Bezug auf diese Dienste berechnet.
Ein Ombudsmann, der wegen Krankheit oder Gebrechlichkeit für unfähig befunden worden ist, sein Amt weiter auszuüben, das Alter von 65 Jahren jedoch noch nicht erreicht hat, kann ungeachtet seines Alters pensioniert werden.
Die Ruhestandspension der Ombudsmänner darf neun Zehntel des Durchschnittsgehalts der letzten fünf Jahre nicht überschreiten.
Außer in den in Artikel 6 Absatz 1 Nr. 1 und 2 und Absatz 2 erwähnten Fällen und in dem in Absatz 4 des vorliegenden Artikels erwähnten Fall erhält der Ombudsmann, dessen Mandat ausläuft, eine Abgangsentschädigung, zu deren Festlegung pro Jahr der Mandatsausübung ein Monatsgehalt angerechnet wird.